DIEZ, 13. Juni 2017. Zum 1. Juli startet das Albert-Schweitzer-Familienwerk Rheinland-Pfalz / Saarland e.V. mit neuen stationären Angeboten für traumatisierte, entwicklungsverzögerte, verhaltensauffällige, vernachlässigte oder von seelischer Behinderung bedrohte Kinder und Jugendliche. Die Jugendhilfe-Einrichtung mit Sitz in Diez wird dann im Kreis Neuwied ihre erste Erziehungsstelle unterhalten. Diese ist in Niederbreitbach bei Rengsdorf (Verbandsgemeinde Waldbreitbach) angesiedelt. Darüber hinaus plant das Familienwerk weitere Erziehungsstellen sowie größere Familiengruppen im ganzen Land einzurichten.

Beiden Einrichtungs-Typen gemein ist, dass hier Kinder und Jugendliche im Alter von 0-18 Jahren (Aufnahme bis max. 13 Jahre), die im Sinne ihrer körperlichen und seelischen Unversehrtheit nicht in ihrer Herkunftsfamilie leben können, einen Rahmen mit familiennahen Strukturen finden. Feste Bezugspersonen und Ansprechpartner sind rund um die Uhr für sie da, begleiten sie im täglichen Leben und geben ihnen Orientierungshilfe und Sicherheit. Dabei ist die Betreuung in der Erziehungsstelle besonders eng und persönlich, da es sich hier um Familien, Paare oder Einzelpersonen handelt, die in der Regel nur 1-3 Kinder in ihren Haushalt aufnehmen. In den größeren Familiengruppen finden dagegen 3-7 Kinder Platz. Diese vertrauensvolle und familiäre Form des Zusammenlebens ist die Basis für intensive Beziehungsarbeit und stabile emotionale Bindungen. In ihrer Arbeit wird die „Hausmutter“ in der Erziehungsstelle von einer Hauswirtschaftskraft unterstützt, die „Hauseltern“ in der Familiengruppe zudem noch von pädagogischen MitarbeiterInnen. Alle zusammen bilden ein Team, das durch die kontinuierliche Unterstützung der pädagogischen Leitung begleitet wird.

Die Häuser stehen dezentral in kleinen Orten und Gemeinden, immer in einer sozial stabilen Wohngegend. So werden Heimcharakter und Stigmatisierung vermieden. Jedes Haus ist ruhig und nah an großzügigen Grünflächen gelegen. In der Regel hat jedes Kind ein eigenes Zimmer, das nach den individuellen Wünschen gestaltet wird und ihm Privatsphäre und Geborgenheit bietet.

„Die Aufnahme eines Kindes bedeutet die bewusste Hereinnahme des Kindes in die eigene Familiensituation – die Familie nimmt ein Kind nicht nur auf, sondern gleichsam an“, erklärt Matthias Kremer, Geschäftsführer des Albert-Schweitzer-Familienwerks Rheinland-Pfalz / Saarland. „Die Herkunftsfamilie arbeitet im Rahmen der Hilfe mit und ist ein emotional wesentlicher Bezugspunkt. Mit Respekt und Achtung werden die Ressourcen und die bisherigen Lösungsstrategien des Herkunftssystems immer wieder in den gemeinsamen Handlungsprozess integriert.“

Erziehungsstellen und Familiengruppen bieten in ihren normalen Nachbarschaftsbezügen gute Voraussetzungen zur sozialen Integration in Schule, Vereine, Ausbildungs- und Arbeitsstellen. Für alle Altersstufen gilt hier Versorgung, Erziehung und Bildung als gleichwertiger Anspruch. „Diese lebenswertorientierte Betreuungsform bietet den Kindern emotionalen Schutz“, führt Kremer weiter aus. „Die Kinder erleben eine konstante Betreuung über viele Jahre ohne Institutions- oder Gruppenwechsel und `verwachsen` mit ihrer `neuen Familie`. Sie erfahren die Stabilität und Sicherheit, die sie zum Groß- und Selbständigwerden benötigen. Die Beziehung zwischen Kindern und `Hauseltern` ist von hoher Qualität und muss nicht immer wieder neu geknüpft und hinterfragt werden. Bei Kindern allen Alters wachsen das Einfühlungsvermögen und die Verantwortungsbereitschaft für andere, sie üben sich in Rücksichtnahme auf unterschiedliche Bedürfnisse, wie z.B. Ruhe bei den Hausaufgaben, leben geregelte Tagesabläufe und trainieren gleichermaßen ihre Kompromissbereitschaft. Genauso erleben sie sich als Gemeinschaft, als Team.“

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